"Insofern die Sätze der Mathematik sich auf die Wirklichkeit beziehen,
sind sie nicht sicher, und insofern sie sicher sind,
beziehen sie sich nicht auf die Wirklichkeit"
(Albert Einstein, 1879-1955)
 
Dienstag, 21.6.2005, 17:32Uhr | offline Version Was ist das Romseminar? Wer war dabei? Programm/ Vorträge Fotos
 
Marc-Oliver Pahl
      Die Wirklichkeit der Mathematik? Die Wettervorhersage.

[abstract]


Inhalt des Textes ist es, wie die Menschen sich die sie täglich umgebenden Wetterphänomene im Laufe der Geschichte erklären.
Nach einer Begriffsdefinition wird die Rolle der Atmosphäre bei der Entstehung unseres Planeten und dessen Lebensformen beleuchtet. Danach wird darauf eingegangen, wie die ersten Hochkulturen, insbesondere die Griechen sich Wetterphänomene erklärten. Anschließend folgt die Erfindung der wichtigsten Wettermessinstrumente Thermometer, Barometer, Hygrometer und Anemometer. Da diese dem gemeinen Volk nicht zur Verfügung standen, wird daraufhin exemplarisch zwei Bauernregeln auf den Grund gegangen. Dann werden die ersten Atmosphärenmessungen beschrieben, die in den ersten Prognosen und veröffentlichten Wetterberichten münden. Nach einem sehr kleinen Ausflug in die Thermo- und Hydrodynamik wird abschließend das numerische Modell des Deutschen Wetterdienstes von 1998 knapp vorgestellt. Zu allerletzt wird auf die Güte von numerischen Wettervorhersagen eingegangen.


Die Ausarbeitung:
die_wettervorhersage_mop2004.pdf
Die Folien:
als jpg-Bilder

[fragen]


Nach dem Vortrag traten zwei Fragen auf, die ich in das Forum auf www.wetterzentrale.de gepostet habe. Dort diskutieren Leute, die sich sehr intensiv mit dem Wetter beschäftigen.

[frage 1]


Im Radio heißt es oft "Die Regenwahrscheinlichkeit beträgt 30%".
Wie wird dieser Wert ermittelt?
Ist es so, dass beispielsweise zehn Läufe mit einem Modell gefahren werden und 3 sagen Regen und 7 kein Regen?
Oder ergibt sich der Wert direkt aus den aktuellen Troposphärendaten, wenn ja, wie ungefähr?

Das ist eine interessante Frage, es kommt auf den „Wetterdienst“ an. Ich denke, renommierte Wetteranbieter (z. B. Kachelmann, MC-Wetter, DWD)leiten diese Zahlen aus bestimmten Vorhersageverfahren ab - z. B. MOS (Model-Output-Statistics).
Diese Verfahren, die durch Routingedaten von Globalmodellen (z. B. EZMW, GME, GFS) gespeist werden, liefern u. a. auch Wahrscheinlichkeiten von beispielsweise Regenwahrscheinlichkeit, Schneewahrscheinlichkeit, Gewitterwahrscheinlichkeit, Wahrscheinlichkeit von einer Niederschlagsmenge größer 10mm usw. 30% würde dann bedeuten, das bei 100 Fällen bzw. Tagen, 30 Fälle bzw. Tage auftreten, an denen wirklich Regen fällt (an der Station/in der Region).
In der Flugmeteorologie wird das ab und zu auch so verstanden, das bei einer Gewitter-Wahrscheinlichkeit von 30% Gewitter nicht an der Station selber auftreten, aber in der näheren Umgebung.

[frage 2]


Für die Wettervorhersage hat ansscheinend jeder Wetterdienst (Frankreich, England, USA, ...) sein eigenes Modell. Wie sieht das bei der Klimaforschung aus? Werden dieselben Modelle verwandt oder gibt es andere?
Sind die dann global gleich oder hat auch jedes Land seine eigenen Klimaforscher und -modelle?
Betreiben die Wetterdienste Klimaforschung oder gibt es dafür eigene Institutionen?

Schau im kapitel 8 des IPCC-Berichts (www.ipcc.ch), da werden die Klimamodelle vorgestellt.

IPCC ist das International Panel on Climat Change. Es wurde 1980 von der World Metherological Organisation (WMO) und dem United Nations Environment Programme (UNEP) gegründet. Die Klimaforschung wird also global betrieben und daher wird es wohl auch globale Modelle geben, die zur Klimaberechnung herangezogen werden. Die Daten werden wohl von den weltweit verteilten Messtationen stammen, die auch zur Tageswettervorhersage benutzt werden. Auf der Webseite finden sich reichhaltige Informationen.


***

Ein "uralt Roemer (Seminar 1993)", Hartmut Borth, der im Übrigen auch letztes Jahr dabei war, schreibt dazu:

Niederschlag


ich bin kein Experte fuer Niederschlagsvorhersage.

Zwei Zitate aus Ambrose Bierce's (1842-1914?) "Enlarged Devil's Dictionary":

Barometer: An ingenious instrument which indicates what kind of weather we are having.

Weather: The climate of an hour. A permanent topic of conversation among persons whom it does not interest, but who have inherited the tendency to chatter about in from naked arboreal ancestors whom it keenly concerned. The setting up of official weather bureaus and their maintenance in mendacity prove that even governments are accessible to suasion by the rude forefathers of the jungle.

Once I dipt into the future far as human eye could see, And I saw the Chief Forecaster, dead as any one can be - Dead and damned and shut to Hades as a liar from his birth, With a record of unreason seldom paralleled on earth.
While I looked he reared him solemnly, that incandescent youth, Form the coals that he'd preferred to the advantages of truth. He cast his eyes about him and above him; then he wrote On a slab of thin aspestos what I venture here to quote - For I read it in the rose-light of the everlasting glow:
"Cloudy;variable winds,with local showers; cooler; snow."

Halcyon Jones


Ganz so schlecht sind heute die Vorhersagen nicht mehr. Es gab erhebliche Fortschritte, gerade in den lezten 5-10 Jahren. Das europaeische Paradepferd, das ECMWF (European Center for Meadium Range Weather Forecast) in Reading ist hierin fuehrend.

Probleme bereitet allerding der Niederschlag. Er ist die am schlechtesten vorhergesagte Groesse bei denVorhersagemodellen. (Im Moment gibt es z.B. ein DFG-Schwerpunktsprogramm dazu). Relativ gut im Griff hat man die Vorhersage von Niederschlag, der im Zusammenhang mit dem Duchzug von Tiefdruckgebieten (mesoscaliges Wettersystem) auftritt (Vorhersagezeitraum = Tage). Sehr schlecht vorhersagbar ist der Niederschlag, bei "kleinraeumigen" Konvektionssystemen auftritt oft sogar fuer die naechsten Stunden.



Zur "Regenwahrscheinlichkeit":

Hier eine Seite aus Hamburg:

http://puma.dkrz.de/theomet/prognosen

und dort link zu Erlaeuterungen oder auch direkt

http://puma.dkrz.de/~simon/what.html

dort kann man auch Fragen stellen.
Ich denke es wird noch keine kanonisierte Definition fuer Regenwahrscheinlichkeit geben.

Man muss wohl auch zwischen Kurzfrist (6,12, 24 Stunden) und Mittelfristvorhersagen (1,2,3,..,10, Tage) unterscheiden.

Fuer die Kurzfristvorhersage werden soweit ich informiert bin im operationellen Betrieb (Modelle die von den Wetterdiensten fuer die taegliche Wettervorhersage benutzt werden) noch keine hochaufgeloesten Ensemblevorhersagen betrieben ( ich muesste allerding nochmals nachfragen). Das heisst die Wahrscheinlichkeit wird aus dem Zustand der Modellatmosphaere abgeleitet (siehe Seite aus Hamburg). Es gibt aber sicher auch noch andere Methoden hierfuer.
(Problem: Niederschlagsereignisse sind oft kleinraeumiger als die Gitterzellen des Modells)
Die genauen Algorithmen kenne ich aber nicht, wenn es !!wichtig!! ist, kann man die aber finden.

Fuer Mittelfristvorhersagen werden auch Ensemblelauefe durchgefuehrt und man kann ueber ein Ensemble von Lauefen mitteln und eine andere "Regenwahrscheinlichkeit" definieren.

Klima


Zu Klimamodellen:
Es gibt keine einheitliche Klimamodelle. Das Problem faengt schon bei der Definition an. Dann geht es weiter bei der abstrakten Modellformulierung, ganz zu Schweigen von der Numerik und Implementierung auf einem Rechner. Je nach Fragestellung gibt es verschiedene Modelltypen, schon was die Grundgleichungen anbetrifft. Hat man schliesslich ein Klimamodell in eine Programmiersprache von hunderttausenden Programzeilen reduziert kommt man zum naechsten Problem: Langzeitlauefe!!!! ein und desselben Modells (Programmcode Buchstabe fuer Buchstabe gleich) koennen mit verschiedenen auf verschiedenen Computern (Compiler) verschiedene Ergebnisse liefern.

Deshalb werden -- abgesehen von einigen allgemeinen globalen mittleren Aussagen -- die Ergebnisse die aus Klimamodellaeufen gewonnen werden immer bezueglich eines Referenzlaufes gemacht (Kontrolllauf), der mit demselben Modell unter gleichen Rahmenbedingungen (Computer, Compiler, usw) durchgefuehrt wurde.

Natuerlich gibt es eine begrenzte Anzahl von standardisierten Modellfamilien, denn um ein neues state of the Art Klimamodell zu entwickeln und auf einem Grossrechner zu implementieren braucht man im Moment immer noch ein Forschungsinstitut von betraechtlicher Groesse. Ein Modell wird zum Beispiel vom DKRZ (Deutsches Klimarechenzentrum) in Hamburg betrieben. Es gibt aber noch andere.

Soweit mit bestem Gruss, Hartmut

P.s.: Frage: Warum kommt der Lorenz-Attractor nicht vor? Das Lorenz modell (Es gibt eine ganze Reihe von Modellen davon) wurden von Edward Lorenz als einfaches Modell zur Untersuchung der Dynamik einer konvektiven Atmosphaere abgeleitet (Lorenz, E.N, 1963a, Deterministic nonperiodic flow. J. Atmos. Sci., 19, 39-51) oder aber auch ( Springer: Applied Mathematical Sciences 60, M. Ghil and S. Childress, Topics in Geophysical Fluid Dynamics: Atmospheric Dynamics, Dynamo Theory and Climate Dyncamics)


Antwort:
Erstmal Danke für die Mail!
Nicht nur der Lorenz-Attractor sondern auch viele andere, sicher wichtige, Dinge kommen in dem Vortrag nicht vor. Dafür war die Zeit einfach viel zu kurz - sowohl die, die ich investieren konnte, um mich in die Materie einzuarbeiten, als auch die des Vortrages...
Vielleicht hat er aber die Eine oder den Anderen dazu ermuntert, sich eingehender mit dem Thema zu beschäftigen...

 
 
 
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